Hero

Geschrieben am 08.10.2025
von Sebastian

"Es ist leicht, einen Mann zu töten. Schwer ist es, ihn zu verstehen.“ - Namenloser


Dass gutes Filmemachen für mich eine Kunstform ist, sollte dem geneigten Leser mittlerweile klar sein. Das Schreiben von Dialogen, das Komponieren eines Drehbuchs, die Kameraführung, der Schnitt – und dazu ein Score, der nicht dominiert, sondern trägt: All das sind Bausteine der Filmkunst. Wenn all diese Elemente ineinandergreifen, entsteht Kino, das mehr ist als Unterhaltung – es wird zu Kunst.

Im Jahr 2002 allerdings kam ein Film, der diese Definition von Kunst noch einmal erweitert hat. Hero von Zhang Yimou ist kein gewöhnlicher Film, sondern ein Gemälde in Bewegung. Jede einzelne Einstellung könnte man anhalten, ausdrucken und an die Wand hängen. Mehr als zwei Jahrzehnte sind seitdem vergangen, und doch hat dieser Film nichts von seiner visuellen Perfektion eingebüßt. Die Art, wie Hero mit Farben erzählt, ist in ihrer Symbolik und Schönheit bis heute unerreicht.

Und als wäre das nicht schon genug, ist Hero neben all dieser Opulenz auch noch einer der beeindruckendsten Filme über Kampfkunst überhaupt. Anfang der 2000er erlebte das sogenannte Wuxia-Kino seine Blütezeit – doch Hero war der Höhepunkt. Der Moment, in dem das Genre zur reinen Poesie wurde.

Die Fakten: Erscheinungsjahr 2002, Laufzeit: 99 min,  Genre: Historie / Wuxia - Drama, FSK: 12

Die Story: Im alten China, zur Zeit der Streitenden Reiche, regiert Misstrauen und Blutvergießen. Der mächtige König von Qin träumt davon, alle Reiche zu vereinen – doch Attentäter aus den Nachbarstaaten trachten ihm nach dem Leben.

Eines Tages erscheint ein namenloser Krieger (Jet Li) am Hof des Königs. Er behauptet, drei der gefährlichsten Attentäter des Landes – Broken Sword, Flying Snow und Sky – besiegt zu haben. Der König, fasziniert und zugleich misstrauisch, will seine Geschichte hören.

In Rückblenden – oder besser: in mehreren Versionen der Wahrheit – entfaltet sich ein kunstvoll verschachteltes Spiel aus Täuschung, Loyalität und Liebe.

 

Anfang der 2000er war das Wuxia-Kino plötzlich überall. Nach Crouching Tiger, Hidden Dragon (2000) öffnete sich der Westen für eine Art Film, die zuvor nur Cineasten kannten: Schwerelos schwebende Kämpfer, poetische Ehre, visuelle Opulenz. Hero war in dieser Welle der ruhigste – und der radikalste. Wo Ang Lees Crouching Tiger noch Herz und Romantik feierte, ist Zhang Yimou kompromissloser, fast politisch. Sein Film denkt größer. Es geht nicht um Individuen, sondern um Nation, um Verantwortung, um die Frage, ob Frieden überhaupt ohne Opfer möglich ist.

Kurz darauf kam House of Flying Daggers, wieder von Yimou, bunter, melodramatischer, emotionaler. Aber Hero bleibt der kältere Bruder. Der Film, der sich traut, Schönheit und Tod in dieselbe Einstellung zu packen – und uns am Ende mit einem Lächeln und einem Kloß im Hals zurücklässt.

Hero ist kein Kampffilm im klassischen Sinn. Es ist ein Film über Ideen. Über Menschen, die für etwas kämpfen, das größer ist als sie selbst. Die Kämpfe sind zwar choreografiert bis ins letzte Detail, aber es geht nicht darum, wer gewinnt. Es geht darum, was diese Kämpfe bedeuten.

Die Szene, in der Jet Li und Donnie Yen im Regen gegeneinander antreten, ist ein Gedicht. Kein Blut, kein Geschrei – nur Bewegung, Rhythmus, Musik. In einem Moment wird der Kampf durch das Spiegelbild im Wasser gezeigt, als würde der Film selbst kurz innehaltend sagen: „Schau hin, das ist mehr als nur Action.“

Und dann diese Farben. Wie Zhang Yimou hier mit Symbolik spielt, ist Wahnsinn. Rot steht für Leidenschaft, Blau für Klarheit, Weiß für Wahrheit. Manchmal fragt man sich gar nicht mehr, was real ist – sondern nur noch, was schöner ist.

Hinter all der visuellen Pracht steckt eine fast schon bittere Philosophie. Der Film fragt: Was ist Frieden wert? Wie weit darf man gehen, um Einheit zu schaffen? Und was opfert man dafür? Der namenlose Held wird zum Symbol dieser Frage. Am Ende ist Hero nicht einfach ein Film über einen Mann, der kämpft – sondern über einen Mann, der versteht, wann man aufhören muss zu kämpfen.

Das klingt pathetisch, aber genau das ist das Herz dieses Films. Zhang Yimou schafft es, Pathos und Poesie zu vereinen, ohne dass es peinlich wird. Und das ist vielleicht seine größte Leistung.

Viele werden bei „Hero“ an die großen Namen denken – Jet Li, Donnie Yen, Tony Leung. Aber eigentlich ist die Hauptfigur hier das Kino selbst. Es ist einer dieser Filme, die einem wieder zeigen, warum man Filme liebt und was das Kino kann.

Wirklich  jede einzelne Szene ist perfekt inszeniert und choreographiert. Jede Einstellung ist wie ein Gedicht. Es ist einer dieser Streifen, bei denen man nach dem Abspann einfach still dasitzt. Nicht, weil man traurig, berührt oder geschockt ist – sondern weil man gerade Zeuge von etwas ganz Besonderem war.

Für mich: Ein Meisterwerk. Und einer der schönsten, die je gedreht wurden.

Herzlichst Sebastian