"We're gonna draw a little bit of everybody's blood... 'cause we're gonna find out who's The Thing" - McReady
Ich erinnere mich noch genau, wie ich den Film das erste Mal gesehen habe – viel zu jung (irgendwas zwischen 12 und 14) , spät abends, alleine im zu Hause. Irgendwo im Fernsehen lief er, und ich blieb hängen. „Ach, Science-Fiction im Schnee, wird schon nicht so schlimm sein“, dachte ich. Tja, falsch gedacht. Was dann kam, war purer Albtraum. Diese Kälte, diese Isolation, diese Gesichter, in denen die Angst langsam wuchs. Und dann diese Kreaturen! So bizarr, so abstoßend – ich musste den Ton leiser drehen, nur um durchzuhalten. Aber wegschalten? Keine Chance. The Thing ist so ein Film: Wenn er dich hat, lässt er dich nicht mehr los. Und so geht's mir auch knapp 30 Jahre später.
Dass dieser Horrortrip von John Carpenter kommt, passt wie die Faust aufs Auge. Der Mann, der uns schon mit Halloween das Fürchten lehrte, geht hier einen ganz anderen Weg: Keine Masken, kein Slasher, sondern etwas viel perfideres – blanke Paranoia. Und genau das macht The Thing zu einem der besten Horrorfilme überhaupt.
Die Fakten: Erscheinungsjahr: 1982, Genre: Horror, Laufzeit: 109 min, FSK: (heutzutage) FSK 16
Die Story: Eine US-Forschungsstation in der Antarktis. Eis, Schnee, nichts als Einsamkeit. Und dann kommt dieser norwegische Helikopter, schießt auf einen Hund. Die Amerikaner retten das Tier – großer Fehler. Denn das ist kein Hund, sondern etwas anderes. Etwas, das sich verwandeln kann. Etwas, das jeden von ihnen kopieren könnte. Ab da beginnt das große Misstrauen: Wer ist noch Mensch? Wer ist schon „das Ding“?
Carpenter hätte aus der Idee ein reines Monster-Spektakel machen können – hat er aber nicht. Stattdessen baut er ein Kammerspiel im ewigen Eis, in dem das größte Monster nicht das Alien ist, sondern die Angst. Du spürst förmlich, wie die Männer einander nicht mehr trauen. Jede Unterhaltung wird zur Bedrohung, jeder Blick kann der letzte sein.
Was The Thing so einzigartig macht, ist die Stimmung. Diese Weite aus Eis, in der nichts lebt. Kein Geräusch außer dem Heulen des Windes und dem Knirschen des Schnees. Carpenter sperrt uns in eine Welt, die so lebensfeindlich ist, dass schon die Natur eine Bedrohung darstellt. Und dann Morricones Score: minimalistische Basstöne, die wie ein Puls unter allem liegen. Keine großen Melodien, nur dieses kalte, stoische Pochen, das sich wie Herzschlag und Bedrohung zugleich anfühlt.
Dazu kommen die Bilder: Das weiße Nichts draußen, drinnen enge, dunkle Räume voller Rauch und Schatten. Du spürst, wie sich die Luft verdichtet. Jeder Raum wirkt wie eine Falle. Es ist eine beklemmende Mischung aus Isolation und Paranoia, die dir beim Zuschauen fast körperlich zusetzt.
Wenn ich eine Szene nennen müsste, die das ganze Wesen dieses Films einfängt, dann ist es die legendäre Bluttest-Szene. MacReady, gespielt von einem großartig verschneiten Kurt Russell, bindet die Männer an Stühle – denn jeder könnte das Ding sein. Einer nach dem anderen wird getestet: ein erhitzter Draht in eine Blutprobe. Nichts passiert. Wieder nichts. Die Spannung ist kaum auszuhalten, die Kamera bleibt gnadenlos drauf. Und dann – BAM! Ein Schrei, ein Zucken, der Stuhl wackelt, alles eskaliert. Das ist Suspense in Reinform: ein Moment, der dich förmlich ans Sofa nagelt, selbst wenn du ihn schon kennst.
Und dann diese Effekte! Rob Bottin war Anfang 20, als er diese Kreaturen erschaffen hat – und was er da abgeliefert hat, ist einfach irre. Köpfe wachsen Beine, Körper verschmelzen, Gesichter verwandeln sich in Albträume. Alles handgemacht, alles greifbar. Kein CGI könnte das so ekelhaft und gleichzeitig so faszinierend rüberbringen. Das ist Body-Horror vom Feinsten: nicht nur eklig, sondern wirklich verstörend und absolut unerreicht, bis heute.
Das eigentlich Fiese: Das Monster sorgt dafür, dass die Männer sich selbst zerlegen. Misstrauen frisst die Gruppe von innen auf, viel schneller als das Alien es je könnte. Am Ende bleibt eine absolute Hoffnungslosigkeit zurück – und genau das macht den Film so unangenehm und so brillant.
1982 kam der Film raus – und ist an den Kinokassen gnadenlos gefloppt. Kein Wunder, im gleichen Jahr lief E.T. in den Kinos. Die Leute wollten ein liebes Alien, das Fahrrad fährt, und bekamen stattdessen dieses nihilistische Höllenszenario. Kritiker nannten den Film „zynisch“ und „geschmacklos“. Heute gilt er als einer der besten Horrorfilme aller Zeiten. Zeit heilt eben alle Wunden – vor allem, wenn der Film so gut altert. The Thing altert im Prinzip überhaupt nicht, wie schon erwähnt sind die Effekte handgemacht. CGI altert, dies hier bleibt für die Ewigkeit!
The Thing ist kein Film, der dich erschreckt und dann wieder in den Alltag entlässt. Er kriecht in dich rein. Er arbeitet mit dir. Er zwingt dich, die Kälte zu spüren, das Misstrauen zu teilen und diese grotesken Transformationen nicht nur zu sehen, sondern fast zu fühlen. Es ist ein Meisterwerk der Spannung, ein Lehrstück in praktischen Effekten und ein Paradebeispiel dafür, wie Horror auch nach Jahrzehnten nichts von seiner Wucht verliert.
Wenn ihr wissen wollt, wie Paranoia auf Zelluloid aussieht – das hier ist eure Antwort.
Herzlichst Sebastian