„Er erinnert sich an die verschwundenen Jahre. Als würde er durch eine staubige Fensterscheibe schauen, ist die Vergangenheit etwas, das er sehen, aber nicht berühren kann. Und alles, was er sieht, ist verschwommen und undeutlich.“
Es gibt viele große Liebesfilme. Manche kitschig, manche tragisch, manche voller Pathos und großen Gesten. Aber kein anderer ist wie In the Mood for Love. Dieser Film von Wong Kar-Wai ist für mich – und ich bin mir sicher, für viele andere auch – das schönste, was das Kino jemals über Liebe erzählt hat. Nicht, weil er mit großen Worten um sich schmeißt oder eine aufdringliche Romanze zelebriert, sondern gerade, weil er leise ist. Weil er das Gefühl von Sehnsucht und Verlangen so einfängt, dass man sich fast selbst dabei ertappt, wie man an den Bildern hängenbleibt, in den Pausen, in den Blicken, in den unausgesprochenen Worten.
Es ist die große Kunst von Wong Kar-Wai, dass er keine Geschichte erzählt, die auf eine plötzliche Auflösung oder einen romantischen Höhepunkt hinausläuft. Stattdessen zeichnet er ein Bild von zwei Menschen, die aneinander vorbeilaufen, die einander finden und sich doch nicht haben dürfen. In the Mood for Love ist nicht einfach ein Liebesfilm – er ist eine Studie über das, was unausgesprochen bleibt, über die kleinen Gesten, die das Herz zerreißen, und über die Sehnsucht, die schöner sein kann als die Erfüllung.
Die Fakten: Erscheinungsjahr: 2000, Genre: Liebesfilm, Laufzeit: 98min, FSK 6
Die Story: Hongkong, 1962. Chow (Tony Leung) und Su Li-zhen (Maggie Cheung) ziehen fast zeitgleich in Nachbarwohnungen ein. Schnell stellen beide fest: ihre Ehepartner betrügen sie – und zwar miteinander.
Was folgt, ist kein melodramatisches Eifersuchtsdrama, sondern ein stilles Näherkommen zweier Menschen, die im Schmerz und in der Enttäuschung etwas finden, das sie nie gesucht haben: Nähe, Verstehen, Zuneigung. Doch aus Angst, selbst so zu werden wie ihre untreuen Partner, halten sie Distanz. Stattdessen spielen sie Szenen durch, sprechen Worte aus, die sie nie wirklich sagen können – und lassen in ihren Blicken eine Intensität zurück, die man nicht mehr vergisst.
Das Außergewöhnliche an In the Mood for Love liegt nicht in der Handlung, sondern in der Art, wie Wong Kar-Wai sie erzählt. Jeder Raum, jede Tapete, jede Zigarette, jede langsame Kamerafahrt wird Teil eines Gefühlsraums, der fast greifbar wird. Die Kamera folgt den Figuren wie ein heimlicher Beobachter, fängt sie oft im Halbdunkel, hinter Türen oder in Spiegeln ein. Man spürt förmlich das Gewicht des Verbotenen, das zwischen den Figuren liegt.
Und dann ist da diese wunderschöne Musik. Vor allem das Stück „Yumeji’s Theme“, das immer wieder erklingt, wenn sich Chow und Su begegnen. Es wirkt wie ein musikalisches Band, das beide verbindet – eine Melodie, die uns sofort wieder in diese Gassen von Hongkong versetzt, in die endlosen Korridore, wo Zeit stillzustehen scheint.
Das eigentlich Geniale an diesem Film ist: er erzählt nicht, was passiert. Er erzählt, was nicht passiert. Es gibt keine großen Ausbrüche, keine leidenschaftliche Liebesszene, kein erlösendes Ende. Stattdessen gibt es Pausen, Schweigen, ein Gefühl, dass etwas Großes zwischen den Figuren hängt, das aber nicht ausgesprochen werden darf. Und genau darin liegt die Kraft – im Ungesagten, im Unausgesprochenen, in der Sehnsucht, die nie erfüllt wird.
Wong Kar-Wai ist bekannt dafür, dass er seine Filme oft ohne festes Drehbuch drehte – und bei In the Mood for Love dauerte die Produktion fast 15 Monate. Ursprünglich war der Film viel umfangreicher geplant, mit expliziteren Szenen. Doch Wong entschied sich bewusst für Zurückhaltung, für die leisen Zwischentöne. Was dabei herauskam, ist eine verdichtete, hochpoetische Version einer Liebesgeschichte. Die schönste Liebesgeschichte für die große Leinwand.
Heute gilt In the Mood for Love nicht nur als Meilenstein des Hongkong-Kinos, sondern als einer der wichtigsten Filme überhaupt. Regelmäßig taucht er in Listen der besten Filme aller Zeiten auf.
Für mich ist er tatsächlich der schönste Liebesfilm, der je gedreht wurde. Nicht, weil er romantisch ist, sondern weil er ehrlich ist: Liebe ist nicht immer Erfüllung. Oft ist sie nur Sehnsucht. Und manchmal ist genau das die schönste Form von Liebe, die wir im Kino erleben dürfen.
Herzlichst Sebastian