Barbarian

Geschrieben am 07.08.2025
von Sebastian

"Sehe ich etwa wie ein Monster aus?" - Keith


Am heutigen 7. August startet mit Weapons der zweite Film von Zach Cregger in den Kinos. Was soll ich sagen: Ich habe da mal so richtig Bock drauf!

Warum das so ist? Nun ja, die Vorabkritiken sind hervorragend, und die Prämisse klingt ziemlich gut. Der Hauptgrund allerdings ist sein Erstlingswerk.

Barbarian hat mich seinerzeit ziemlich beeindruckt – ein Film, der so ziemlich alles anders macht, als man es gewohnt ist.

Wenn etwa zur Mitte hin der erste große Bruch des Films kommt, kann ich jeden verstehen, der nervös zur Fernbedienung greift, weil man glaubt, versehentlich einen anderen Film eingeschaltet zu haben. Es wird Leute geben, die damit nichts anfangen können. Ich persönlich mag es sehr, wenn Filme bzw. Filmemacher sich trauen, etwas Unkonventionelles, etwas Außergewöhnliches zu kreieren.

Die Fakten: Erscheinungsjahr: 2022, Genre: Horror, Psychothriller, Laufzeit: 102 Minuten, FSK: 16

Die Story: Tess bucht ein Airbnb in einem trostlosen Viertel von Detroit. Doch als sie nachts dort ankommt, stellt sich heraus: Das Haus ist schon belegt. Keith behauptet, es ebenfalls gebucht zu haben. Widerwillig bleibt Tess über Nacht.

Zach Cregger nutzt das Alltägliche – einen Türcode, eine Tasse Tee, eine Matratze im Keller –, um daraus Suspense zu bauen, die Hitchcock gefallen hätte. Wer hier was im Schilde führt? Wer manipuliert, wer täuscht? Du bist als Zuschauer genauso misstrauisch wie Tess. Und das ist kein Zufall.

Barbarian ist ein Film über Räume. Es geht um das Sichtbare und das Verborgene. Um Häuser, Keller, Gänge, Geheimtüren. Die Kamera von Zach Kuperstein (übrigens visuell großartig) zieht uns immer tiefer hinein, begleitet von einer Soundkulisse, die nie übertreibt, sondern lieber flüstert, zischt, zittert.

Und irgendwann, wenn du glaubst, du hast es verstanden, macht der Film einen radikalen Schnitt. Weg von Tess, weg von Detroit. Plötzlich Sonne, Strand, Popmusik – und ein neuer Charakter: AJ.

Der abrupte Tonwechsel wirkt im ersten Moment wie ein komplett anderer Film. Doch genau hier zeigt sich die Genialität von Creggers Skript: Es geht um Kontrolle. Und die wird uns mit diesem harten Bruch komplett genommen. Ich find’s ziemlich cool – ganz plump formuliert!

AJ ist ein weiteres Puzzleteil in dieser kaputten Welt – ein selbstverliebter Schauspieler, der mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert ist und auf eigene Faust sein geerbtes Haus (ja, jenes Airbnb) inspiziert.

Seine Perspektive ist abstoßend, arrogant, fast schon satirisch. Doch statt eines moralischen Zeigefingers wird hier bitterböse kommentiert: Männer, Macht und die Normalisierung von Gewalt – subtil, aber spürbar.

Die Szenen mit AJ wirken fast komödiantisch – aber mit düsterem Unterton. Und wenn sich die Handlungsstränge wieder zusammenfügen, entfaltet der Film sein volles Grauen. Denn Barbarian wird ab einem gewissen Punkt richtig, richtig unangenehm. Und das liegt nicht an Blut oder Monstern, sondern daran, wie sehr sich das Grauen in der Logik der Welt verankert.

Im Gegensatz zu vielen modernen Horrorfilmen vertraut Barbarian nicht auf billige Effekte.

Hier gibt’s keine hysterisch geschnittenen Traumsequenzen, keine lauten Musikhiebe, keine CGI-Monster. Stattdessen arbeitet der Film mit einer klugen Bildsprache, mit Dunkelheit, Stille, kleinen Geräuschen, langsamen Kamerafahrten. Wenn man mit Tess durch den endlosen Keller irrt, wird aus jedem Schritt ein Risiko, aus jedem Schatten ein Feind.

Ein Höhepunkt: Eine Nachtszene mit Taschenlampe, dunklem Gang und einer Entscheidung, die du nicht treffen willst – aber treffen musst. Das ist meisterhafte Suspense.

Cregger weiß: Horror entsteht nicht durch Schocks, sondern durch die Angst vor dem, was kommen könnte.

Was Barbarian auszeichnet, ist seine Uneindeutigkeit.

Er ist mutig genug, dir keine Erklärung auf dem Silbertablett zu servieren. Es gibt keine übertriebene Mythologie, keine Rückblenden, die alles logisch machen. Stattdessen bleibt vieles im Schatten. Und das macht den Film so viel unheimlicher.

Hinzu kommt, dass die Inszenierung bewusst mit Genre-Klischees spielt – sie aber verdreht.

Der vermeintlich gefährliche Mann entpuppt sich als harmlos – oder vielleicht auch nicht.

Die verängstigte Frau wird zur Heldin – oder vielleicht auch nicht.

Und die „Monster“? Nun, darüber sollte man besser nicht zu viel sagen. Nur so viel: Sie sind schockierend – aber nie lächerlich.

Barbarian ist kein einfacher Film. Er ist nicht laut, nicht plakativ – und gerade deshalb so effektiv. Er zeigt, wie viel Horror im Alltäglichen steckt. In Vertrauen. In Machtverhältnissen. In Architektur. In männlicher Selbstgewissheit.

Zach Cregger hat mit Barbarian einen modernen Genrebeitrag geschaffen. Kein makelloser Film – sicher nicht –, aber einer mit Rückgrat, mit Ambition, mit Haltung und einer außergewöhnlichen Erzählstruktur.

Aber vor allem: mit echtem Schrecken.

Herzlichst, Sebastian