"Who the hell is Julius Caesar? You know I don't follow the NBA!" - Ron Burgundy
Es gibt Filme, bei denen weiß man nach drei Minuten ganz genau: Entweder du liebst das jetzt, oder du willst ganz dringend was anderes machen – zum Beispiel den Geschirrspüler ausräumen oder alte Steuerbescheide sortieren. Anchorman ist so ein Film. Und ich sag’s gleich vorweg: Ich liebe es. Von Herzen. Mit Glitzer im Schnauzbart.
Es war irgendwann Mitte der 2000er, DVD-Zeit, unbeschwert, (manchmal) leicht angesoffen. Ein Kumpel sagte: „Ey, guck dir das an. Da spielt Will Ferrell einen Nachrichtensprecher.“ Ich war skeptisch. Nachrichtensprecher? Komödie? Ferrell kannte ich damals eher so aus kleinen Nebenrollen – der Typ mit dem Gesicht, das immer irgendwie aussieht, als hätte er gerade vergessen, ob er lachen oder niesen will. Und dann kam Anchorman. Und nichts war mehr wie vorher.
Die Fakten: Erscheinungsdatum 2004, Genre Komödie, Laufzeit 94 min, FSK 12
Die Story: San Diego in den 1970ern. Ron Burgundy ist der Platzhirsch im lokalen Nachrichtengeschäft – selbstverliebt, sexistisch, und felsenfest davon überzeugt, dass er der Mittelpunkt des Universums ist. Doch als die ambitionierte Journalistin Veronica Corningstone in seine Redaktion kommt und sich nicht nur ihren Platz im Team, sondern auch vor der Kamera erkämpft, gerät Rons Männerwelt mächtig ins Wanken. Zwischen Konkurrenz, Eitelkeit, Jazzflöten und einem epischen Nachrichtenteam-Battle eskaliert das Ganze schnell in Richtung absurdes Chaos.
Die Geschichte spielt in den 70ern – was allein schon ein Geschenk ist. Polyester-Anzüge, offene Hemden, Jazz-Flöten und ein Frauenbild direkt aus der Steinzeit. Ron Burgundy ist der König von San Diego – ein Nachrichtensprecher wie aus dem Bilderbuch: groß, laut, überheblich, aber irgendwie auch zu doof, um wirklich unsympathisch zu sein. Dann kommt Veronica Corningstone, eine Frau mit Hirn, Haltung und (für Ron leider) Karriereambitionen – und der ganze Männerverein bricht in sich zusammen wie ein schlecht gebautes Kartenhaus aus Sexismus und Haarspray.
Was Anchorman so besonders macht? Es ist diese unfassbare Mischung aus völliger Absurdität, Dialogen, die klingen, als wären sie bei einem sehr schlechten Impro-Abend entstanden – und dann einfach im Film geblieben –, und Figuren, die alle irgendwo auf der Skala zwischen Idiot und Legende rangieren. Paul Rudd als Brian Fantana, Genial. Steve Carell als Brick Tamland, ein Gag-Feuerwerk. David Koechner als Champ Kind, der wahrscheinlich seit 1973 nicht mehr nüchtern war, Wahnsinn.
Und Will Ferrell? Ich glaube, das war seine Geburt als richtiger Comedy-Star. Der Mann lebt diesen Ron Burgundy mit einer derartigen Hingabe, dass man irgendwann nicht mehr weiß, ob das jetzt Schauspiel oder einfach ein besonders seltsamer Dokumentarfilm ist. Der Schnurrbart, die Stimme, der Größenwahn – das ist alles so überzogen, dass es schon wieder funktioniert. Und wie! „Ich bin eine große Nummer in dieser Stadt!“ – ja Ron, das bist du. Vor allem in deinem eigenen Kopf.
Man muss aber auch sagen: Nicht jeder Gag zündet. Manche Szenen sind einfach Quatsch. Und das meine ich nicht im positiven Sinn. Der Bärenkampf im Zoo zum Beispiel – das ist entweder das Dümmste oder das Beste, was je gefilmt wurde. Vielleicht beides. Aber das gehört auch irgendwie dazu. Anchorman lebt nicht von seiner Perfektion, sondern davon, dass er sich nie zu schade ist, völlig durchzudrehen.
Und dann ist da noch dieser legendäre Straßenkampf zwischen den Nachrichtenteams. Ich mein – was war da bitte los? Da stehen plötzlich Reporter aus dem ganzen Land mit Dreizack, Baseballschläger und Handgranate (!) auf der Straße und prügeln sich um die journalistische Vorherrschaft von San Diego. So bekloppt, so geil, so einzigartig. Und wenn dann noch Ben Stiller als spanischer Reporter auftaucht und in gebrochenem Englisch mit Messern wirft, ist einfach alles gesagt.
Kurz gesagt: Anchorman ist eine Satire, eine Parodie, ein albernes Fest der guten Laune – aber vor allem ist es ein Liebesbrief an eine Zeit, in der Männer noch dachten, eine gute Frisur reicht für Respekt. Der Film hat Kultstatus, weil er sich das Recht nimmt, komplett bescheuert zu sein – aber eben mit Stil. Und weil er uns eine der großartigsten Fake-Ikonen der Filmgeschichte geschenkt hat: Ron Burgundy. Ein Mann, eine Stimme, eine Überzeugung.
Und jetzt entschuldigt mich bitte – mein Scotch wird warm.
Herzlichst Sebastian