Beim Thema, Gewaltdarstellung im Film gibt es unzählige Kontroversen und Meiningen, weil es eins dieser Themen ist, bei dem sich Kunst, Moral und Geschmack regelmäßig in die Haare kriegen. Und weil ich einfach zu viele Filme gesehen habe, bei denen Gewalt mehr kaputt gemacht als ausgesagt hat. Dabei kann filmische Gewalt so viel mehr sein als nur Schock oder Splatter. Sie kann weh tun – im Kopf. Sie kann aufrütteln, verstören, bewegen. Sie kann wichtig sein für die Geschichte -gerade zu von extenzieller Bedeutung-, sie kann einen Film besser machen. Oder aber sie kann einfach nur... da sein. Laut, sinnlos und leer. Und davon gibt es leider immer mehr. Und ganz wichtig: Nur weil ein Film brutal ist, ist er kein Horrorfilm. Wir brauchen Atmosphäre und Schrecken, aber ja AUCH Gewalt!
Ich sag’s mal so: Wenn ich mir einen Film ansehe, in dem jemandem mit einer Axt der halbe Unterkiefer weggeschlagen wird, will ich danach was fühlen – außer Ekel. Vielleicht Wut, vielleicht Mitgefühl, vielleicht sogar ein bisschen Verständnis (nicht für die Axt, sondern fürs Warum).
Taxi Driver ist ein gutes Beispiel. Der Film ist alt, klar, aber Travis Bickle bleibt eine der faszinierendsten Figuren der Filmgeschichte – weil seine Gewalt aus einer ganz tiefen inneren Hölle kommt. Es ist kein Selbstzweck, wenn er am Ende durchdreht und es aus ihm heraus bricht. Es ist ein psychologisches Pulverfass, das über zwei Stunden langsam gefüllt wird. Und dann explodiert. Und ja: Es spritzt Blut. Aber es hat Gewicht.
Oder nehmen wir Oldboy – diese ikonische Hammer-Szene im Flur kennt mittlerweile jeder (auch in diesem Blog bereits mit Lob überschüttet). Aber was viele vergessen: Diese Gewalt tut weh, weil sie so echt wirkt. Weil du spürst, wie müde der Typ ist. Wie jeder Schlag schwerer wird. Das ist kein cooler Fight – das ist Schmerz in Echtzeit. Ähnlich bei Irreversibel: Dieser Film haut dir nicht nur ins Gesicht, er lässt dich auch stundenlang damit allein. Die Gewalt darin ist so realistisch inszeniert, dass einem der Magen flau wird. Nicht, weil es so viel ist – sondern weil sie sich anfühlt wie echte Gewalt. Will sagen: Gewalt darf weh tun. Soll sie sogar. Aber sie muss was bedeuten.
Martyrs ist da nochmal ein ganz eigenes Kaliber. Wer den gesehen hat, weiß: Das ist keine Unterhaltung. Das ist eine spirituelle Talfahrt. Schmerz, als metaphysische Suche nach Sinn. Total krank, total radikal, aber in seiner Konsequenz auch ehrlich. So ehrlich, dass man irgendwann fast Mitleid mit dem Film selbst hat. Aber da steckt eine Idee dahinter. Und das macht den Unterschied. Das Leid und die Unmenschlichkeit sind hier elementare Bestandteile ohne die dieser Film schlicht nicht existieren könnte. Er ist keine sinnlose Gewaltpornografie sondern auf Grund des dargestellten einer der besten Filme der letzten Jahre.
Selbst John Wick, obwohl er ja quasi Comic-Gewalt als Oper inszeniert, macht es richtig. Da wird nicht geschrien oder gelitten, da ist jeder Schuss eine saubere Bewegung, ein Tanz aus Präzision und Eleganz. Aber: Die Gewalt funktioniert, weil sie in einer Welt mit eigenen Regeln spielt. Da ist nichts sinnlos, sondern alles Mittel zum Zweck. Und das funktioniert erstaunlich gut – auch wenn am Ende 128 Leute tot am Boden liegen.
Und jetzt kommen wir zur anderen Seite. Zum neuen Trend. Zur Gewalt, die nichts sagt außer „Guck mal, wie eklig wir sein können“. Terrifier ist da das Paradebeispiel. Ich versteh bis heute nicht, warum Art the Clown einen gewissen Kultstatus bekommen hat. Das ist kein ikonischer Killer – das ist ein stumm grimassierender Kostüm-Clown, der Frauen zersägt, weil’s halt geht. Keine Spannung, kein Aufbau, keine Figurenzeichnung. Einfach nur Gedärme an die Wand. Und das wird dann als „mutig“ oder „grenzüberschreitend“ gefeiert. Aber es ist einfach nur billig. Das hier ist tatsächlich genau das gleiche Muster wie in einem Pornofilm. Szene an Szene ohne Sinn und Verstand um den zugeneigten Zuschauer einen "Höhepunkt" nach dem anderen zu bescheren. Dieser und die gesamte Art dieser Filme, sollten sich auch nicht Horrorfilm nennen dürfen, denn beängstigend oder gruselig ist hier gar nichts. Es bleibt der Ekel und das nutzen der Möglichkeiten.
Oder The Sadness. Das war so ein Film, auf den ich echt gespannt war. Pandemie-Thema, asiatischer Horror – das klang nach einer guten Mischung. Aber was dann kam, war einfach nur ein Splatter-Gulasch der unangenehmsten Sorte. Vergewaltigungen, sinnlose Quälerei, Gewalt nur um der Gewalt willen. Klar, kann man alles machen – aber was bleibt denn da außer Brechreiz?
Auch Saw ist ein Sonderfall. Der erste Teil war stark – psychologisch, spannend, mit einem cleveren Twist und einem echten moralischen Konflikt. Aber was danach kam, war nur noch eine Abwärtsspirale. Jeder neue Teil: Noch ein perfideres Gerät, noch mehr Qual, noch weniger Bedeutung. Da wurde Folter zum Fastfood. Und ich frag mich bis heute: Wer guckt das ernsthaft aus Interesse an der Geschichte? Antwort: NIEMAND
Was die FSK angeht, ist das Ganze auch so eine Sache. Früher war ja quasi alles ab 18, was eine Blutlache hatte – mittlerweile kommt selbst das derbste Geballer durch, wenn’s nur genug „Stil“ hat. Einerseits gut, weil dadurch auch ernsthafte Filme wie Irreversibel oder Martyrs eine Chance bekommen. Andererseits öffnet das Tür und Tor für sinnlose Reißer, bei denen keiner mehr fragt, was das eigentlich soll. In Terrifier 2 wird eine "Darstellerin" über einen Zeitraum von über 10 Minuten gequält, gefoltert, zerteilt und was noch alles. Sowas wird heute ungeschnitten veröffentlicht. Die FSK hat sich geöffnet – aber manchmal vielleicht zu weit. Sowas sollte es nicht geben dürfen! Ich finde: Es sollte weniger um die Menge an Blut gehen und mehr um den Kontext. Und da wird’s dann schnell schwammig. Ich musste damals für Tanz der Teufel auf die verschlungensten Wege gehen um ihn irgendwie zu sehen... Heute Frei ab 16!
Fazit: Gewalt im Film ist nicht das Problem. Gewalt ohne Sinn – das ist das Problem. Und es wäre schön, wenn mehr Leute das wieder erkennen würden. Nicht alles, was knallt, trifft auch. Manchmal eben nur den Magen.
Herzlichst Sebastian