The Abyss

Geschrieben am 21.07.2025
von Sebastian

"Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." - Nitzsche


James Cameron,  der Visionär, der Tüftler, der Mann, der das Blockbusterkino immer wieder auf neue Höhen (oder Tiefen) treibt. Wir sprechen bei ihm schließlich von dem Regisseur von Terminator 2, von Aliens, von Titanic, von Avatar. Filme, die Geschichte geschrieben haben, die jeder kennt und die die Messlatte für das Mainstreamkino gleich mehrfach neu definiert haben. Und doch: The Abyss ist für mich der beste Film von James Cameron. Vielleicht nicht sein bekanntester, sicher nicht sein kommerziell erfolgreichster — aber der Film, in dem er als Regisseur und Geschichtenerzähler sein volles Können in einer einzigartigen, emotionalen Form entfaltet.

Die Fakten: Erscheinungsjahr: 1989, Genre: Science Fiction / Abenteuer, Laufzeit: ca. 171 Minuten (Director’s Cut), FSK: 12

Die Story: Ein amerikanisches Atom-U-Boot sinkt unter mysteriösen Umständen auf den Grund des Ozeans. Ein ziviles Bergungsteam, stationiert auf einer Tiefsee-Ölbohrplattform, wird zusammen mit einem militärischen Einsatzkommando beauftragt, nach der Ursache des Unglücks zu suchen. Doch je tiefer sie vordringen, desto mehr geraten sie in einen Strudel aus Misstrauen, technischen Katastrophen, menschlicher Verzweiflung – und einer Entdeckung, die alles übersteigt, was sie je für möglich gehalten hätten.

 

Warum ich The Abyss für Camerons besten Film halte? Weil er hier das Herz des Science-Fiction-Kinos gefunden hat: die Mischung aus technologischer Faszination, existenzieller Spannung und echter Menschlichkeit. Anders als etwa in Aliens (großartig) oder Avatar (abseits der Optik keine guten Filme), die zwar atemberaubend inszeniert sind, aber deutlich auf Action und Spektakel setzen, bleibt The Abyss trotz seiner visuellen Brillanz immer intim. Es geht hier um Menschen. Um Fehler. Um Liebe und Misstrauen, Mut und Ohnmacht – mitten in einem erbarmungslosen Umfeld, das nicht den kleinsten Fehler verzeiht: der tiefsten Dunkelheit des Meeres.

Die Bilder sind für 1989 schlicht atemberaubend. Cameron drehte mit einer fast krankhaften Besessenheit, ließ gewaltige Wassertanks bauen, versenkte seine Schauspieler wortwörtlich in die Tiefe und quälte sie – und sich selbst – durch einen der härtesten Drehs der Filmgeschichte. Das Ergebnis aber: Bilder, die wirken, als wären sie gestern entstanden. Das Licht, das durch das Wasser bricht. Die klaustrophobischen Korridore der Station. Die majestätischen, fremdartigen Erscheinungen in der Tiefe. All das hat eine Echtheit, eine Haptik, die kein CGI der Welt erzeugen kann.

Besonders stark ist der Film in seinen stillen, fast metaphysischen Momenten. Wenn sich die Figuren in der Tiefe verlieren, wenn der Sauerstoff knapp wird, wenn sie mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert werden. Oder der Moment, in dem Ed Harris’ Figur Bud auf sich gestellt in die schwarze Tiefe hinabsteigt – eine Szene, die sowohl technisch als auch emotional alles abruft, was Kino leisten kann.

Und dann natürlich die Wesen in der Tiefe, die „Aliens“, die hier keine Monster sind, sondern etwas viel Größeres. Hier liegt auch die Stärke des Director’s Cut: die zusätzliche, großartige Szene, die zeigt, was diese Wesen der Menschheit eigentlich mitteilen wollen. Cameron zeigt, dass Science-Fiction nicht nur Angst und Zerstörung bedeuten muss, sondern auch Hoffnung, Neugier und Ehrfurcht.

The Abyss ist einer der wenigen Filme, die sowohl als atemloser Thriller als auch als emotionales Drama und philosophisches Gedankenspiel funktionieren. Sicher, Terminator 2 ist bahnbrechend, Aliens ist perfekt inszenierte Action, Titanic ein emotionales Epos, Avatar -naja-. Aber keiner dieser Filme verbindet Herz, Spannung und Staunen auf so kraftvolle und intime Weise wie The Abyss.

Vielleicht war die Zeit für diesen Film damals noch nicht reif. Er war an den Kinokassen kein großer Erfolg und steht oft im Schatten seiner berühmten Brüder. Aber gerade das macht ihn zu einem der schönsten Geheimtipps des großen James Cameron. Ein Film über die Schönheit der Tiefe, die Dunkelheit im Menschen – und darüber, dass wir manchmal weit unter die Oberfläche gehen müssen, um das Beste in uns zu finden.

Herzlichst Sebastian