I Saw The Devil

Geschrieben am 26.06.2025
von Sebastian

"Ich werde dich nicht einfach töten. Ich werde dir zeigen, was wirkliche Angst ist.“ - Kim Soo-hyun


Wer hier öfter reinschaut, wird es schon bemerkt haben: Meine Liebe zum koreanischen Kino ist kein gut gehütetes Geheimnis. Ich habe an dieser Stelle bereits mehrfach meine Faszination für diese eigenwillige, kompromisslose Filmsprache geteilt. Für diese Welt, in der sich Ästhetik und Grausamkeit die Hand reichen, in der Figuren nicht gut oder böse, sondern einfach erschreckend menschlich sind. Heute darf ich euch ein weiteres düsteres Glanzstück aus Südkorea ans Herz legen. Einen Film, der in seiner Konsequenz verstört, in seiner handwerklichen Klasse beeindruckt und in seiner moralischen Tiefe erschüttert: I Saw the Devil.

Ein Film, der so tief in die Dunkelheit schaut, dass man selbst nach dem Abspann noch lange braucht, um sich wieder ans Licht zu gewöhnen.

Die Fakten: Erscheinungsjahr: 2010, Genre: Rachethriller / Physcho Drama, Laufzeit: 141 Minuten, FSK: 18

Die Story: Ein Serienmörder (Choi Min-sik, Oldboy) ermordet auf grausamste Weise eine junge Frau. Ihr Verlobter (Lee Byung-hun), ein Agent des südkoreanischen Geheimdienstes, macht sich auf die Suche nach dem Mörder – und findet ihn. Doch statt ihn zu töten, beginnt er ein perfides Spiel. Er lässt ihn laufen, nur um ihn wieder zu finden. Immer und immer wieder. Aus Jäger wird Henker. Aus Rache wird Obsession. Und irgendwann stellt sich die Frage: Wer ist hier eigentlich das wahre Monster?

 

Man kann über diesen Film nicht sprechen, ohne über seine Konsequenz zu sprechen. I Saw the Devil ist nicht stilisiert, nicht cool, nicht „unterhaltsam“ im herkömmlichen Sinne. Die Gewalt ist roh und erschütternt. Nicht wegen der Menge, sondern wegen ihrer Intensität. Jede Szene wirkt wie ein Splitter unter der Haut. Jede Entscheidung des Protagonisten entfernt ihn weiter von dem Menschen, der er einmal war. Und irgendwann merkt man als Zuschauer: Es gibt keinen Weg mehr zurück.

Regisseur Kim Jee-woon inszeniert das alles mit beängstigender Klarheit. Nichts ist zufällig. Keine Einstellung zu viel. Die Kamera bleibt oft ruhig, fast unbeteiligt – gerade dadurch wirkt das Geschehen noch grausamer. Die Kälte der Bilder, die Einsamkeit der Räume, der Soundtrack, der fast vollständig auf musikalischen Trost verzichtet – all das erzeugt ein Gefühl der Ausweglosigkeit, das selten so greifbar war.

Es ist kein Film, bei dem man mitfiebert. Es ist ein Film, bei dem man mit in Abgründe gezogen wird.

Besonders erschütternd ist, wie der Film es schafft, seine Figuren menschlich zu halten. Choi Min-sik spielt den Serienmörder nicht überhöht, sondern erschreckend alltäglich. Fast banal in seiner Bösartigkeit. Lee Byung-hun dagegen beginnt als jemand, der eine gewisse Kontrolle ausstrahlt – um diese schrittweise aufzugeben. Was bleibt, ist ein Mann, der seine Seele ausgehöhlt hat, um einem Monster in die Augen zu schauen. Und am Ende erkennt er sich selbst nicht mehr.

Und genau an diesem Punkt entfaltet sich auch der Titel des Films in seiner ganzen Bitterkeit und Brillanz - I Saw the Devil. Im ersten Moment denkt man: Natürlich – der Teufel, das ist der Mörder. Der Sadist. Der Psychopath. Aber je tiefer der Film geht, desto klarer wird: Der Teufel, das ist nicht nur das Gesicht des Anderen. Es ist das, was im Spiegel zurückblickt, wenn man sich selbst verliert. Wenn man Böses mit Bösem bekämpft. Der Film ist kein Urteil, sondern eine düstere Warnung: Wer sich lange genug mit Monstern einlässt, wird selbst eins. Und wenn man dem Teufel zu lange ins Gesicht sieht – dann sieht man irgendwann sich selbst.

Gerade dieses Ende – diese letzte Entscheidung, dieser Moment völliger Leere – trifft mit solcher Härte, dass man nur noch still ist. Kein Triumph. Keine Erleichterung. Nur eine zerstörte Figur, ein zerstörter Zuschauer – und eine düstere, traurige Frage, die lange nachhallt: Was bleibt übrig von einem Menschen, der sich der Rache ganz verschreibt?

Vielleicht erklärt das auch, warum der Film selbst unter Genre-Fans oft eher gefürchtet als gefeiert wird. Er ist nicht unterhaltsam. Er bietet keine Erleichterung, keinen humorvollen Moment, keine Ironie. Er ist nur das: Ein kalter, messerscharfer Blick in eine Welt, in der Moral nicht mehr zählt. In der Schmerz keine Läuterung bringt. In der Rache kein Gleichgewicht schafft – sondern nur Leere. Es handelt sich schlicht und einfach um ein grandioses Werk!

Und das ist es, was I Saw the Devil so besonders macht. Es ist einer der wenigen Filme, die nicht nur eine Geschichte erzählen, sondern eine Erfahrung sind. Eine düstere Auseinandersetzung mit was uns menschlich macht – und wie leicht wir es verlieren können.

Ich kann wirklich nur dazu raten, diesen Trip zu wagen. Ihr werdet ihn bereuen - aber diese Erfahrung sicher nicht missen wollen.

Herzlichst Sebastian