„If it's in a word, or it's in a look – you can't get rid of the Babadook.“
Es gibt Filme, die schaut man – und es bleibt einfach ein Film. Ehrlich gesagt ist das bei den allermeisten Filmen so. Auch die großen Klassiker sind nach dem Abspann im wahrsten Sinne des Wortes vorbei. Klar, es gibt Filme, die bleiben in Erinnerung oder lassen mich mit Gedanken zurück. Aber eigentlich immer in dem Bewusstsein, eine fiktive oder abstrakte Sache gesehen zu haben.
Und dann gibt’s Filme wie Der Babadook – und das einzig und allein aufgrund seiner Thematik.
Wenn man selbst keine Kinder hat, ist das hier immer noch ein intensiver, cleverer Psychothriller. Wenn man aber schon diverse Male nachts um drei mit glasigen Augen ein schreiendes Kind durch die Wohnung getragen hat, während die eigenen Nerven wie ein zitternder Draht kurz vor dem Reißen stehen … dann trifft Der Babadook nochmal ganz anders.
Dieser Film versteht es, diese ganz spezielle Art von Erschöpfung, Angst und emotionaler Überforderung einzufangen, die mit Elternschaft manchmal einhergeht – besonders, wenn man allein dasteht (was ich mir glücklicherweise auch nur vorstellen kann). Die innere Leere nach schlaflosen Nächten. Die Wut über das eigene Unvermögen. Die Schuld, dass man überhaupt wütend ist.
Und genau da setzt Der Babadook an. Er nimmt diese Emotionen, diese unausgesprochenen Schattenseiten des Elternseins, und bringt sie in Form eines düsteren Märchens an die Oberfläche. Und das macht er nicht mit dem Holzhammer, sondern mit leisen, schleichenden Tönen – was es umso beklemmender macht.
Die Fakten: Erscheinungsjahr: 2014, Genre: Horror / Psychothriller, Laufzeit: 94 Minuten, FSK: 16
Die Story: Amelia ist eine alleinerziehende Mutter, die seit dem tragischen Tod ihres Mannes mit ihrem Sohn Samuel lebt. Der Junge ist … schwierig. Er bastelt Waffen, redet von Monstern und bringt seine Umwelt durch sein Verhalten an den Rand der Belastbarkeit. Als eines Tages ein unheimliches Kinderbuch namens Mister Babadook in ihrem Regal auftaucht, beginnt ein unaufhaltsamer Albtraum: Samuel ist überzeugt, dass der Babadook real ist. Und auch Amelia beginnt bald zu glauben, dass da mehr dran ist als nur eine Kindergeschichte.
Was Der Babadook so besonders macht: Er ist kein typischer Horrorfilm. Er hat keine billigen Jumpscares, keine Teenager, die beim Campen abgeschlachtet werden, keine Dämonen mit brennenden Augen oder Flüche aus längst vergessenen VHS-Kassetten. Was er hat, ist viel schlimmer: ein zutiefst menschliches Grauen. Eine Mutter, die am Rande der Verzweiflung steht. Ein Kind, das schreit, nervt, fordert – aber eben auch einfach nur geliebt werden will. Und irgendwo dazwischen: ein Schatten. Eine Geschichte. Eine Kreatur. Und irgendwann weiß man nicht mehr, ob es das Monster ist, das gefährlich ist – oder das Leben selbst.
Der Babadook ist nicht laut. Er schreit nicht. Er zischt dir nicht ins Gesicht. Stattdessen kriecht er langsam in dein Unterbewusstsein, baut Druck auf, lässt dich schwitzen – ohne zu zeigen, was eigentlich passiert. Der Horror hier ist psychologisch. Und das auf eine Art, die wirklich unter die Haut geht.
Babadook ist dabei nicht einfach nur ein Monster im Schrank. Er ist Schuld, Trauer, Wut, Überforderung – alles, was wir sonst wegschieben. Und wenn man es nicht verarbeitet, dann kommt es eben irgendwann raus. In welcher Form auch immer.
Die Darstellung einer Frau, die zwischen Depression, Trauerbewältigung und absoluter Überlastung schwankt, ist beängstigend gut. Und der kleine Noah Wiseman als Sohn? Ich sag’s ehrlich: Er hat mich wahnsinnig gemacht. Und dann wieder tief berührt. Und dann wieder genervt. Und genau das ist der Punkt. Dieser Film macht dich fertig, weil er ehrlich ist. Weil er zeigt, wie anstrengend es ist, zu lieben, wenn man selbst keine Kraft mehr hat. Und wie schnell das alles kippen kann.
Was mir auch extrem gut gefallen hat: Die Inszenierung. Der Film wirkt fast schon wie ein Kammerspiel – sehr reduziert, mit einem klaren, kalten Look und dieser seltsamen, bedrückenden Stille. Das Kinderbuch ist dabei ein echtes Highlight – liebevoll (also eigentlich fies) illustriert und stilistisch total eigen. Diese Mischung aus Märchen und Wahnsinn funktioniert einfach unfassbar gut. Und ja: Es gibt ein paar richtig starke Schockmomente. Aber nie zum Selbstzweck – immer als Teil der Geschichte.
Ich finde ja, Der Babadook ist einer der wenigen Horrorfilme der letzten zehn, fünfzehn Jahre, die wirklich etwas zu sagen haben. Die nicht einfach nur gruseln wollen, sondern dich mit etwas entlassen, das bleibt. Vielleicht sogar klebt. So wie der Babadook selbst: Wenn du ihn einmal reinlässt, wirst du ihn nie wieder los.
Herzlichst Sebastian