Oldboy

Geschrieben am 24.02.2025
von Sebastian

"You can't find the right Answer, If you ask The wrong Question" - ?


Eigentlich bin ich der Überzeugung, dass kein Film perfekt ist. Auch Filme, die ich persönlich großartig finde, oder Werke, die gemeinhin als Meisterwerke der Filmgeschichte anerkannt sind, sind nicht perfekt. Hier und da gibt es mal ein paar Längen, Szenen, die man eventuell weglassen könnte, oder Probleme mit der inneren Logik einer Geschichte – klassische "Probleme", vor denen selbst die wirklich starken Filme nicht gefeit sind. Üblicherweise ist dann aber das Gros des Films so stark, dass diese kleinen Unzulänglichkeiten überhaupt nicht ins Gewicht fallen. Und zudem ist so etwas natürlich auch total subjektiv.

Vor etwa 15 Jahren habe ich meine Liebe für das koreanische Kino entdeckt. Ich habe Regisseure wie Bong Joon-ho (Memories of Murder, The Host oder Parasite) oder Kim Jee-woon (The Good, The Bad, The Weird, A Bittersweet Life oder den fantastischen I Saw the Devil) kennengelernt. Die Art, wie das koreanische Kino seine Geschichten erzählt, ist mit dem, was man sonst so kennt, schlicht und einfach nicht zu vergleichen! Es ist rau, konsequent und durchdacht. Hier gibt es kein Hollywood-Happy-End, wenn es die Geschichte nicht hergibt. Ich kann jedem, der sich für Filme interessiert und diesen Bereich noch nicht entdeckt hat, unbedingt empfehlen, dies nachzuholen. Es lohnt sich.

Zurück zum perfekten Film: Ein weiterer Regisseur aus Korea ist Park Chan-wook. Anfang der 2000er brachte er seine sensationelle Rache-Trilogie auf die Leinwand – bestehend aus Sympathy for Mr. Vengeance, Lady Vengeance (beide ebenfalls großartig) und dem Film, um den es heute eigentlich gehen soll: der nahezu perfekte Oldboy.

Ich habe Oldboy irgendwann um 2010 herum zum ersten Mal gesehen. Ich sage es einfach mal direkt und frei heraus: Oldboy ist der beste Film aller Zeiten – und wirklich verdammt nah an der Perfektion.

Die Fakten: Erscheinungsdatum: 2003, Genre: Thriller, Laufzeit: 120 min FSK: ab 16 Jahren

Die Story: Oh Dae-su wird nach 15 Jahren Gefangenschaft – die er nur in einem Zimmer mit einem Fernseher verbringen musste, ohne Kontakt zur Außenwelt – plötzlich freigelassen. Ohne zu wissen, warum ihm das angetan wurde, hat er nur einen Wunsch: seinen Peiniger zu finden und sich zu rächen.

 

Wie so oft handelt es sich hierbei wirklich nur um die rudimentäre Rahmenhandlung. Die Erzählweise von Oldboy ist eigentlich gar nicht mit Worten zu beschreiben. Wie eine Zwiebel entdeckt der Zuschauer Schicht für Schicht, warum Oh Dae-su 15 Jahre eingesperrt wurde – genau wie der Protagonist selbst. Und auch wie bei einer Zwiebel treiben uns jede weitere Schicht und jede neue Erkenntnis die Tränen in die Augen. Oldboy ist böse, hart und absolut kompromisslos. Park Chan-wook verdichtet die Atmosphäre des Films so meisterhaft, wie man es selten zu Gesicht bekommt.

Die Inszenierung ist makellos. Jede Kameraeinstellung, jede Farbwahl und jeder Musikeinsatz sind durchdacht und tragen zur melancholischen und bedrückenden Atmosphäre bei. Die Fragen, die der Film aufwirft – nach Schuld, Rache, Identität und moralischen Grenzen – werden nicht nur gestellt, sondern konsequent beantwortet.

Als wäre das nicht schon grandios genug, finden wir hier zusätzlich eine der besten Actionsequenzen überhaupt. Der mittlerweile legendäre Korridorkampf ist nichts anderes als absolut beeindruckend. Was Schauspieler, Regisseur und das gesamte Team hier kreiert haben, ist einzigartig. Eine knapp vierminütige Plansequenz, seitlich gefilmt (sie erinnert ein wenig an klassische Sidescroller-Videospiele), ohne auch nur einen einzigen Schnitt. Die komplette Sequenz ist eine einzige große Choreografie – ein Ballett aus Schlägen, Tritten und Schmerzen. Unser Hauptcharakter ist nicht Rambo, er mäht seine Widersacher nicht einfach mit einem Lächeln nieder. Nein, er leidet und muss sich komplett aufopfern, um das Geheimnis hinter seinem Schicksal zu entschlüsseln.

Selbstverständlich möchte ich an dieser Stelle kein Wort über den großen Reveal des Films verraten, aber eine Sache muss erwähnt werden: Der Climax ist fantastisch – und an Boshaftigkeit nicht zu überbieten. Wenn die Spirale, der wir bis zum Ende gefolgt sind, endgültig überdreht ist, haut es uns als Zuschauer schlicht vom Sitz. Da wird euch der Mund offen stehen, das kann ich euch versprechen.

Ein besonderes Merkmal von Oldboy ist der Umgang mit Gewalt. Sie ist hier nie Selbstzweck oder reines Spektakel, sondern ein integraler Bestandteil der Erzählung. Die rohe Brutalität spiegelt den inneren Konflikt und die zerstörerischen Emotionen der Figuren wider. Ob physische Auseinandersetzungen oder psychischer Terror – die Gewalt ist ungeschönt und intensiv, doch stets im Dienst der Geschichte. Park Chan-wook schafft es, den Zuschauer nicht durch Splatter-Effekte abzuschrecken, sondern durch die emotionale Wucht hinter den Taten zu erschüttern. Ich frage mich bis heute, wie zum Teufel dieser Film in Deutschland ab 16 Jahren freigegeben sein kann. Weder die Gewalt noch die bitterböse Story gibt das aus meiner Sicht her. Oldboy ist auf mehreren Ebenen erschütternd.

Fazit: Oldboy ist perfekt! Hier haben wir ihn nun – meinen absoluten Lieblingsfilm!

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P.S.: Mittlerweile sind diese koreanischen Filme (auch aufgrund des großen Erfolgs von Parasite) bei uns problemlos verfügbar. Alle bekannten Anbieter bieten die Filme in synchronisierten Fassungen an. Ich musste Oldboy seinerzeit im Original mit englischen Untertiteln über verschlungene Pfade sehen. Nutzt die Möglichkeit und taucht in diese Welten ab! Wir werden uns sicher auch hier noch über den einen oder anderen Film genauer unterhalten. Es lohnt sich!

P.P.S.: Im Jahr 2013 hat Hollywood ein Remake von Oldboy unter demselben Titel veröffentlicht – mit Josh Brolin in der Hauptrolle. Dieses Remake ist eine absolute, unfassbare Katastrophe. Wirklich nichts von dem, was den Film ausmacht, ist erhalten geblieben. Die Macher dahinter haben leider rein gar nichts verstanden. Bitte unbedingt und ausschließlich das Original schauen!

Herzlichst Sebastian