"Pull me Out" - Tasya Vos
Zukunftsvisionen gibt es viele. Mache sind positiv, Wunschvorstellungen, wie könnte die Welt einmal sein, wenn alles nach Plan verläuft. Im wahren Leben ist dies natürlich der ersterbenswerte Zustand. Obwohl wir als Gesellschaft zur Zeit eine Menge dafür tun, dass sich die Welt nicht gerade auf eine Utopie zubewegt. Im Kino, sind wir ehrlich, sind Utopien meistens deutlich weniger spannend als eine schöne, ausgewachsene Dystopie. Manchmal sind wir dabei, wie alles den Bach runter geht, meistens jedoch steigen wir als Zuschauer erst ein nachdem irgendetwas so richtig schief gelaufen ist. Auch hier haben wir diverse Varianten im Angebot: Umweltkatastrophen, Viren, politische Entwicklungen - gerne genommen - und auch heute Thema der Besprechung, technische "Errungenschaften".
Habt ihr euch jemals gefragt, wie es wäre, in den Körper eines anderen Menschen zu schlüpfen und dessen Leben zu kontrollieren? Dann ist Possessor genau euer Ding! Dieser Sci-Fi-Horror-Thriller aus dem Jahr 2020 nimmt euch mit auf eine verstörende Reise in die Abgründe menschlicher Identität und technologischer Manipulation.
Die Fakten: Erscheinungsdatum: 2020 Laufzeit: 103 min Genre: Sci-Fi / Horror Altersfreigabe: ab 18 Jahren
Die Story: Die Hauptfigur Tasya Vos, gespielt von Andrea Riseborough, ist eine Auftragsmörderin mit einer ganz besonderen Methode: Sie kann in die Körper anderer Menschen eindringen und deren Leben übernehmen. Doch als sie in den Körper von Colin Tate schlüpft, gerät alles außer Kontrolle.
Der Film stellt spannende Fragen rund um Selbstbestimmung, Identitätsverlust und die dunklen Seiten des technologischen Fortschritts.
Brandon Cronenberg zieht euch nicht nur mit der Geschichte in seinen Bann, sondern auch mit schockierenden Bildern und gnadenloser Brutalität. Die visuelle Gestaltung ist hypnotisch und intensiv – aber definitiv nichts für schwache Nerven. Wie sagt man so schön? Dieser Film geht wirklich in die Vollen. Wenn ihr ihn in der richtigen Stimmung und Atmosphäre genießen könnt, wird er euch so richtig reinziehen.
Brandon Cronenberg kam für mich persönlich ein bisschen aus dem Nichts. Guter Mann!
Falls ihr mit den Filmen seines Vaters, David Cronenberg, vertraut seid, werdet ihr einige Parallelen entdecken. Werke wie "Videodrome" oder "eXistenZ" drehen sich ebenfalls um das Zusammenspiel von Technologie, Körper und Geist. Doch Brandon geht noch einen Schritt weiter: Während sein Vater oft subtil und philosophisch Spannung aufbaut, geht Brandon in die Vollen und serviert euch eine ungeschönte Mischung aus Gewalt und psychologischem Horror. Man merkt, dass er von David inspiriert wurde, aber er hat definitiv seinen eigenen Stil gefunden.
Possessor ist weit mehr als nur ein blutiger Sci-Fi-Thriller. Der Film fordert euch heraus, über Identität und Kontrolle nachzudenken. Tasya Vos' zunehmender Verlust ihrer selbst zeigt, wie moderne Technologien nicht nur unser Leben erleichtern, sondern auch unsere Autonomie bedrohen können. Hier stellt sich die Frage: Bewahren wir in einer digitalisierten Welt noch unsere eigene Identität oder werden wir zu Marionetten in den Händen anderer? Cronenberg malt eine Zukunftsvision, die ebenso faszinierend wie beunruhigend ist. Wie einleitend gesagt, eine Dystopie ist (im Kino) dann doch deutlich faszinierender als so ziemlich jeder optimistische Ansatz.
Possessor ist ein Film für alle, die auf anspruchsvolles, verstörendes Kino stehen. Hier wird nichts beschönigt – ihr werdet aus eurer Komfortzone gerissen und mit einer Geschichte konfrontiert, die euch noch lange nach dem Abspann beschäftigen wird. Mir hat er ausnehmend gut gefallen.
Herzlichst Sebastian