"Das ist kein Traum! Das passiert wirklich!"
Manche Filme sind Klassiker, weil sie ein Genre definieren. Andere, weil sie Zeitgeist eingefangen haben. Rosemaries Baby ist beides – und noch ein bisschen mehr.
Es ist einer dieser Filme, die man "erlebt" und wenn man ehrlich ist, trägt man sie ein bisschen mit sich rum!
Es ist Wahnsinn wie irritierend modern dieser Film wirkt. Das Ding ist von 1968! Ein Film, der über weibliche Selbstbestimmung, Manipulation, Macht und paranoide Kontrolle erzählt – und das so präzise, dass man meint, er sei gestern erst gedreht worden.
Die Fakten: Erscheinungsjahr: 1968, Genre: Horror/Drama, Laufzeit: 136 min, FSK: 16
Die Story: Rosemary Woodhouse zieht mit ihrem Mann Guy in ein prachtvolles, leicht unheimliches Apartmenthaus in New York. Nachbarn, die seltsam übergriffig sind. Ein Ehemann, der sich zunehmend merkwürdig verhält. Eine Schwangerschaft, die sich von Anfang an falsch anfühlt.
Das klingt simpel – aber in der Umsetzung liegt der Geniewurf.
Das ist vielleicht das Beeindruckendste an Rosemaries Baby: Es ist kein verstaubtes Stück Filmgeschichte. Es lebt. Es arbeitet im Zuschauer. Und es tut das ohne Effekthascherei, einfach durch seine Atmosphäre und die Art, wie er menschliche Angst ernst nimmt.
Denn Polanski dreht den Schraubstock langsam, Szene für Szene, Gespräch für Gespräch. Man merkt gar nicht, wie eng es plötzlich geworden ist. Wie sehr man Rosemaries Einsamkeit spürt. Wie tief diese Misstrauensspannung im Film sitzt.
Das Haus, die Flure, die Nachbarn – alles atmet diese unheimliche Vertrautheit.
Und irgendwann ist klar: Hier stimmt etwas nicht. Aber man kann nicht sagen, was. Genau das macht den Film so wahnsinnig effektiv.
Mia Farrow ist schlicht überragend: Es gibt Rollen, die eine Karriere definieren – und hier sieht man eine Schauspielerin, die eine Figur komplett in sich aufnimmt. Ihre Naivität, ihre Angst, ihre stille Verzweiflung: All das wirkt so ehrlich, dass man sich fast dabei ertappt, wie man ihr zuflüstern möchte: „Geh weg von dort, bitte.“
Es ist diese Zerbrechlichkeit, die den Film zusammenhält. Und dann sind da noch Minnie und Roman Castevet – Nachbarn aus der Hölle, aber auf die freundlichste Art. Ruth Gordon spielt Minnie mit einer so unangenehmen Mischung aus Nettigkeit und Übergriffigkeit, dass man bis heute ihren Einfluss in unzähligen Horrorfilmen spürt. Dieser übertriebene, fast schon aufdringliche Charme – das ist ein Prototyp. Ein Archetyp. Und einer der großen Gründe, warum der Film wirkt.
Was Rosemaries Baby endgültig zu einem Klassiker macht, ist die Konsequenz, mit der er seine paranoide Stimmung verfolgt.
Der Film glaubt an seine Figuren, an die Kraft des Misstrauens und daran, dass Horror entsteht, wenn man einem Menschen den Boden unter den Füßen wegzieht.
Das war 1968 revolutionär und es ist bis heute stilbildend.
Es ist kein Zufall, dass so viele moderne Horrorfilme – von The Witch über Hereditary bis Saint Maud – genau diese DNA in sich tragen: langsames Gift, leise Verzweiflung, psychologischer Druck.
Rosemaries Baby war einer der ersten Filme, der zeigte: Das wahre Grauen ist nicht das Übernatürliche. Es ist das Gefühl, dass alle anderen im Raum etwas wissen, das du nicht weißt.
Dass du Recht hast – und niemand glaubt dir.
Zum Finale muss man nicht viel sagen. Es ist berüchtigt, ikonisch, bitter, brillant. Eines dieser Enden, die man nur einmal zum ersten Mal sieht.
Ein Ende, das den ganzen Film in einem einzigen Moment erklärt – und gleichzeitig unerträglich macht.
Fazit? Rosemaries Baby ist ein Meilenstein, weil er eine Form von Horror erfunden hat, die heute selbstverständlicher wirkt, als sie es damals war: Horror, der aus dem Alltag kommt. Aus Gesprächen. Aus Vertrauen, das verraten wird.
Ein Film, der nach über 50 Jahren nicht nur funktioniert, sondern fast noch stärker wirkt, weil wir heute viel besser verstehen, wie subtil Manipulation sein kann.
Das ist kein Klassiker, den man aus historischen Gründen respektiert.
Das ist ein Klassiker, der dich heute noch packt.
Herzlichst, Sebastian