"Du hast keine Ahnung, wie langweilig es ist zu sterben. Ich hasse es, dir das sagen zu müssen, aber es sind nur du und ich hier." - Amanda
Unser heutiger Film darf glaube ich mit Fug und Recht als Geheimtipp bzw. unbekannte Genreperle betitelt werden. Selbst an vielen interessierten Filmfans oder Genreliebhaber dürfte Saint Maud vorbeigegangen sein. Das ist furchtbar schade! Es handelt sich hier um einen tollen, intensiven und außergewöhnlichen Horrorfilm.
Religion im Horror führt eigentlich immer in die selbe Richtung. Bessenheit / Exorzismus oder aber wir wohnen Ritualen bei. Allzu oft ist das alles dick aufgetragen und wird selbst wie eine Predigt inszeniert. Dieser Film ist keine Predigt, kein Exorzismus, kein übernatürliches Spektakel. Saint Maud ist etwas viel Intimeres. Eine Studie über Einsamkeit, Schuld, Selbsthass und diesen brennenden Wunsch, irgendwo da draußen Bedeutung zu finden. Und ja, das Ganze ist in Horror verpackt – aber nicht in dem Sinne, dass man sich erschreckt, sondern in dem, dass man langsam innerlich zerbricht, während man zusieht.
Die Fakten: Laufzeit: 84 min, Erscheinungsjahr: 2019, Genre: Horror, FSK: 16
Die Story: Maud, eine junge, tief religiöse Krankenschwester, die eine todkranke Frau namens Amanda pflegt. Zwei Welten prallen aufeinander: hier die sterbende Hedonistin, dort die asketische Gläubige, die sich mehr kasteit als lebt. Und das Faszinierende ist: Beide sind auf ihre Weise verloren. Maud glaubt, Gott persönlich zu spüren, seine Wärme, seine Nähe – und je weiter sie geht, desto kälter wird alles um sie herum.
Rose Glass, die Regisseurin, hat hier etwas ganz Besonderes geschaffen. Saint Maud ist ein Horrorfilm, der eigentlich keiner sein will. Es gibt keine Monster, keine Dämonen, keine Jumpscares. Stattdessen kriecht das Grauen aus der Stille, aus den Blicken, aus der Einsamkeit. Der Film fühlt sich an wie eine endlose Nacht in einem viel zu kleinen Zimmer – man hört jeden Atemzug, jedes Knacken, jedes Flüstern. Und mit jeder Minute rutscht man tiefer in Mauds Kopf.
Was mich wirklich beeindruckt hat, ist, wie körperlich der Film wird. Maud erlebt ihre Religion nicht im Kopf, sondern im Körper. Sie spürt Gott in sich – buchstäblich. Das ist wunderschön, beängstigend und zutiefst verstörend zugleich. Diese Momente, in denen sie sich selbst in eine Art heilige Ekstase versetzt, sind auf eine perverse Art poetisch. Man versteht, warum sie das tut, aber man wünscht sich, sie würde einfach loslassen.
Ich glaube, genau das ist das Geniale an Saint Maud: Er verurteilt Maud nicht. Er beobachtet sie. Er lässt uns spüren, wie dieser innere Konflikt sie auffrisst, und zeigt dabei keine Sekunde zu viel. Alles ist reduziert, leise, auf den Punkt. Jede Kameraeinstellung wirkt überlegt, jeder Schatten sitzt da, wo er hingehört.
Und dann kommt das Ende. Ich verrate natürlich nichts, aber ich sag so viel: Es ist einer der härtesten, ehrlichsten und schmerzhaftesten Momente, die ich in einem modernen Horrorfilm gesehen habe. Ein einziger Schnitt, ein Geräusch – und man versteht alles. Der Film braucht keine langen Erklärungen, kein Finale mit großem Knall. Nur Wahrheit. Und die tut weh.
Saint Maud ist kein Film, den man lieben „kann“ im klassischen Sinne. Er ist unbequem, sperrig und emotional anstrengend. Aber er ist auch mutig, präzise und wunderschön erzählt. Und er zeigt, dass echter Horror oft viel näher an uns dran ist, als wir denken.
Wenn der Abspann läuft, sitzt man da, leer, traurig – und ein bisschen dankbar. Weil man für anderthalb Stunden in den Kopf einer verlorenen Seele schauen durfte, die einfach nur glauben wollte, dass da draußen irgendjemand zuhört.
Herzlichst Sebastian