"Was ist das?" - "Blaues Licht!" - "Was macht es?" - "Es leuchtet blau!" - Rambo 3
Actionkino. Ein Genre, das lauter schreit als andere, das Dinge explodieren lässt, Knochen bricht und Pulsadern mit Adrenalin flutet. Und trotzdem – oder gerade deswegen – ist es ein Spiegel seiner Zeit. Der Actionfilm hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht nur verändert, er hat sich beinahe neu erfunden. Immer wieder. Mal brachial, mal elegant. Mal dumm, mal brillant.
Beginnen wir mit den 80ern – der goldenen Ära des Testosterons. Stallone, Schwarzenegger, Willis. Muskelpakete mit Maschinengewehren. Filme wie Rambo, Commando oder Die Hard haben das Bild des unzerstörbaren Einzelkämpfers geprägt. Ihre Missionen waren simpel: rette jemanden, erledige alle. Was heute manchmal platt wirkt, war damals eine Reaktion auf das politische Klima, den Kalten Krieg, die Sehnsucht nach starker Hand. Besonders Stirb Langsam bleibt ein Paradebeispiel: John McClane als verwundbarer Held, barfuß und zynisch, kämpft sich durch ein Hochhaus – das ist nicht nur Action, das ist Spannung mit Charakter.
Dann kamen die 90er. Größer, bunter, lauter. Michael Bay betrat die Bühne – und mit ihm der Schnittwahnsinn. The Rock oder Bad Boys sind laut, schnell und überladen. Aber sie funktionieren, weil die Inszenierung noch weiß, wann sie überdrehen darf und wann sie kurz durchatmet. Es war die Ära der Blockbuster-Ästhetik: Zeitlupen, Explosionen im Gegenlicht, der „Heldenlauf“ vor einer Feuerwand.
Aber spätestens mit Beginn der 2000er bekam der Actionfilm Probleme. Das „mehr“ wurde zu viel. Die Kamera wurde nervös, der Schnitt hyperaktiv. 96 Hours oder die späteren Bourne-Filme etwa – gerne zitiert als Beispiele moderner Action – verlieren sich in wackelnden Kameras und Schnitten alle 0,8 Sekunden. Die sogenannte „Shaky Cam“ war geboren. Und sie tötete Übersichtlichkeit. Es ist der Moment, in dem man merkt: Gute Action lebt nicht von Bewegung. Sondern von Klarheit.
Denn eine gute Actionszene ist wie ein Tanz – sie braucht Raum, Rhythmus, und Übersicht. Ein Paradebeispiel? Die Clubszene aus John Wick. Die Kamera bleibt ruhig, die Choreographie ist präzise, Keanu Reeves bewegt sich wie eine Maschine – aber eben eine, die man beobachten kann. Das gleiche gilt für Mad Max: Fury Road: Hier ist jede Explosion Teil eines visuell durchdachten Spektakels. Kein Frame wirkt zufällig. Regisseur George Miller bewies, dass Action heute noch originell, brachial und gleichzeitig künstlerisch sein kann.
Der Gegenpol? Taken 3. Ein Film, der aus 15 Schnitten eine simple Szene macht, in der Liam Neeson über einen Zaun springt. Das ist keine Dynamik – das ist Überforderung mit dem eigenen Material. Es zeigt die Schwäche vieler moderner Produktionen: Sie fürchten die Ruhe. Und sie vergessen, dass der Zuschauer sehen möchte, was passiert – nicht nur spüren.
Was auch fehlt: Körperlichkeit. In den 80ern war jeder Faustschlag spürbar. In den 2010ern verließ man sich zu oft auf CGI – Kugeln treffen ohne Wucht, Autos explodieren in Animation, Blut wirkt digital. Das Resultat: sterile Action. Es fehlt der Schmutz, der Schweiß, die rohe Energie.
Aber es gibt Hoffnung. The Raid und The Raid 2 aus Indonesien sind das Gegenteil der Hollywood-Formel: Hier wird jede Bewegung ausgespielt, Knochen knacken im Takt, und die Kamera „tanzt“ mit – nicht vor Nervosität, sondern in synchroner Präzision zur Action. Diese Filme stehen stellvertretend für das, was das asiatische Kino – insbesondere im Bereich Martial Arts – seit Jahrzehnten meisterhaft beherrscht: Körper als Ausdrucksmittel. Ob es die fast tänzerische Eleganz eines Bruce Lee in Enter the Dragon ist, die stilisierte Präzision eines Donnie Yen in Ip Man oder die kompromisslose Brutalität in The Night Comes for Us – asiatische Action hat eine andere Philosophie. Sie feiert die Körperlichkeit, zelebriert den Kampf als Choreografie, als Kunstform. Es geht nicht nur um Sieg oder Niederlage, sondern um Technik, Ausdruck, Haltung. Während westliche Action sich oft in Bombast verliert, konzentrieren sich asiatische Produktionen auf Timing, Raumgefühl und vor allem: Respekt vor der Bewegung. Es ist kein Zufall, dass viele der eindrucksvollsten Actionmomente des letzten Jahrzehnts aus dem Osten kommen. Hier wird nicht versteckt, hier wird gezeigt – und das mit einer Klarheit und Konsequenz, die ihresgleichen sucht.
Doch auch Hollywood kann es wenn sie denn wollen und dürfen: Mission: Impossible – Fallout zeigt, dass man große Action mit echter Spannung kombinieren kann – etwa in der unfassbaren Helikopterverfolgung oder dem Faustkampf in der Toilettenkabine.
Und was zeigt uns das alles?
Action ist mehr als Lärm. Gute Action ist ein Handwerk – mit Stil, Übersicht und vor allem: Timing. Schlechte Action ist ein hastiger Schnitt, der kaschiert, was die Szene nicht hat. Gute Action ist klar, sie erzählt etwas, sie steigert sich, sie gibt dem Zuschauer einen Rhythmus. Und sie hat Gewicht – nicht nur visuell, sondern emotional.
Der Actionfilm muss sich nicht neu erfinden. Aber er sollte sich erinnern: Weniger ist manchmal mehr. Und ein gut platzierter Schlag kann lauter sein als jede Explosion.
Herzlichst Sebastian