"Purple in the morning, blue in the afternoon, orange in the evening. There's my three meals, Mr. Smartypants. And green at night. Just like that, one, two, three, four." - Sara
Es gibt Filme, die einen begleiten. Still. Wie ein dunkler Schatten. Man schaut sie – und sie lassen einen nicht mehr los. Nicht, weil sie besonders laut sind. Nicht, weil sie besonders spektakulär sind. Sondern weil sie etwas tun, was Filme nur selten schaffen: Sie kriechen in einen hinein und bleiben dort. Wie ein schlechter Gedanke, der nicht mehr weggeht. Requiem for a Dream ist genau so ein Film. Ein Stück Kino, das eher wie eine Diagnose wirkt als wie Unterhaltung.
Man hat ihn gesehen – und fühlt sich irgendwie... kaputt. Nicht schockiert im klassischen Sinn. Sondern leer. Als hätte man 102 Minuten lang in einen seelischen Abgrund gestarrt. Und darin nicht nur die Figuren verloren gesehen, sondern sich selbst auch ein bisschen. Requiem for a Dream ist kein Drama. Es ist ein Fall. Ein Absturz. Ein langsames Zerfallen von Menschen, Träumen, Körpern und Seelen. Und es ist vor allem: unerträglich ehrlich.
Die Fakten: Erscheinungsdatum: 2000, Genre: Psychodrama, Laufzeit: 102 Minuten, FSK: 16
Die Story: Harry, seine Freundin Marion, sein Freund Tyrone – alle drei jung, voller Ideen, mit Plänen. Und Harrys Mutter Sara, einsam, mit einem Traum vom Fernsehen und einem roten Kleid. Es könnte eine Geschichte vom Erwachsenwerden sein. Von Ambitionen. Von Hoffnung. Doch was wir sehen, ist das Gegenteil. Der Film zeigt, wie schnell ein Leben entgleist, wenn das Verlangen nach mehr – nach einem besseren Selbst, einem besseren Morgen – zur Sucht wird. Und am Ende bleibt nichts. Nicht mal das Verlangen selbst.
Darren Aronofsky hat mit Requiem for a Dream einen Film gemacht, der keinen Trost kennt. Keine Erlösung, keine Pause, kein „Wird schon wieder“. Nur Abwärtsspiralen. Und das auf eine Art, die so intensiv ist, dass man irgendwann einfach nur noch durchhalten will. Visuell brillant, mit seinen zerschnittenen Montagen, seinen nervösen Kamerafahrten und dieser bedrohlichen Musik von Clint Mansell, die sich wie ein Alptraum in Endlosschleife anfühlt. Aber eben auch: emotional vernichtend.
Was diesen Film so besonders schwer macht, ist nicht das Thema Drogen an sich – sondern wie beiläufig und banal die Abgründe hier aussehen. Es gibt keine Eskalation, keinen Ausbruch, keinen großen Knall. Nur eine stille, kalte Bewegung in Richtung Dunkelheit. Alles verliert Stück für Stück seine Farbe, seine Würde, seinen Sinn. Man spürt förmlich, wie das Licht in den Figuren ausgeht. Wie ihre Augen leerer werden. Und wie ihre Körper nur noch Hüllen sind.
Und wenn man denkt, man hätte das Schlimmste gesehen, kommt das letzte Drittel. Der Moment, in dem alles endgültig zerbricht. Marion. Tyrone. Sara. Und Harry. Vier Geschichten, vier Endpunkte. Kein Hoffnungsschimmer. Kein Reset-Knopf. Nur Endgültigkeit. Aronofsky bringt hier eine Intensität auf die Leinwand, die physisch spürbar ist. Man schwitzt mit, man friert mit, man hält den Atem an – und irgendwann ertappt man sich bei dem Gedanken: "Ich will, dass es vorbei ist." Nicht der Film. Die Schmerzen.
Diese letzten Minuten sind wie eine kalte Dusche für die Seele. Kein aufgesetzter Knall, kein überzogener Effekt – stattdessen: Realität in ihrer hässlichsten, härtesten Form. Es ist, als würde man eine Tür schließen, von der man genau weiß, dass sie nie wieder aufgeht. Und man bleibt zurück mit einer Frage, die der Film gar nicht laut stellt, aber mit jeder Einstellung in einen hineinträufelt: Was bleibt übrig, wenn ein Mensch alles verliert – auch sich selbst?
Requiem for a Dream ist kein Film, den man weiterempfiehlt, weil er "gut gemacht" ist – obwohl er es ist. Man spricht ihn eher mit gesenkter Stimme aus, als Warnung oder Einladung zu einer Erfahrung. Er ist Kino, das wehtut, weil es ehrlich ist. Und manchmal ist das die brutalste Art von Wahrheit.
Wenn man den Abspann sieht, ist man nicht erleichtert. Eher benommen. So, als hätte man einen Tunnel durchquert, in dem es kein Licht gab. Viele Filme unterhalten. Einige erschüttern. Requiem for a Dream nimmt dir den Boden weg – und lässt dich dort liegen. Und trotzdem ist es ein Meisterwerk. Eins, das man nicht wiedersehen will. Aber eines, das man nicht vergessen kann. Nie wieder und was man auf jeden Fall gesehen haben sollte!
Herzlichst, Sebastian