Die 12 Geschworenen

Geschrieben am 05.05.2025
von Sebastian

"Ach, Sie sind genau wie die meisten hier. Sie denken zu viel. Dabei ist noch nie was rausgekommen." - Nr. 4


Eigentlich konzentriert sich dieser kleine Blog ja auf übekanntere Genre Filme, auf stille Perlen abseits der bekannten Pfade. Und obwohl Die zwölf Geschworenen längst als Klassiker der Filmgeschichte gilt, gehört er doch zu jenen Filmen, die heute kaum noch geschaut bzw. erwähnt werden – schlicht weil er alt ist, in Schwarz-Weiß gedreht wurde und aus einer Ära stammt, die vielen als verstaubt gilt. Aber lassen wir uns davon nicht täuschen: Dieser Film aus dem Jahr 1957 ist auch heute noch absolut sehenswert – vielleicht sogar notwendiger denn je. Denn er zeigt auf eindringliche Weise, wie brisant, spannend und relevant Kino sein kann, wenn es sich ganz auf das Wesentliche konzentriert: Menschen, Moral und die Macht des Zweifels.

Die Fakten: Erscheinungsdatum: 1957, Genre: Drama / Kammerspiel, Laufzeit: 95 min, FSK 6

Die Story: Die Handlung ist schnell erzählt: Zwölf Geschworene ziehen sich zurück, um im Fall eines jungen Mannes zu entscheiden, ob er seinen Vater ermordet hat. Die meisten wollen einfach nur zum Urteil kommen – „schuldig“, sagen elf von ihnen ohne große Diskussion. Nur einer, Geschworener Nr. 8 (gespielt von Henry Fonda), will sich nicht so schnell fügen. Er ist nicht überzeugt von der Schuld, sondern von der Notwendigkeit des Zweifelns. 

 

Was folgt, ist kein klassischer Gerichtsfilm, sondern ein stilles, klaustrophobisches Drama über das Ringen um Wahrheit, Gerechtigkeit und persönliche Integrität.

Der gesamte Film spielt in einem einzigen Raum – einem überhitzten Juryzimmer irgendwo in New York. Regisseur Sidney Lumet nutzt diese räumliche Beschränkung, um den Druck fast körperlich spürbar zu machen. Die Kameraarbeit verändert sich subtil: Anfangs dominieren breite Einstellungen, doch je länger die Diskussion andauert, desto näher rückt die Kamera an die Gesichter, desto drängender wird der Raum. Der Raum selbst wird zur Bühne, zur Falle, zum Spiegel innerer Konflikte. Es braucht keine Musik, keine Action – allein durch Kamera, Licht und Schauspiel entsteht eine beklemmende Spannung.

Die zwölf Geschworenen lebt von seinen Dialogen – präzise, durchdacht, scharf. Jeder der Männer steht für eine bestimmte Perspektive: der Zyniker, der Rassist, der Unsichere, der Überhebliche, der Gleichgültige. Und jeder wird im Laufe des Films gezwungen, Stellung zu beziehen – nicht nur zum Fall, sondern auch zu sich selbst. Das, was verhandelt wird, ist weit mehr als Schuld oder Unschuld. Es geht um Vorurteile, soziale Spannungen, den Mut zur eigenen Meinung. Henry Fondas Figur wirkt dabei fast wie ein moralisches Korrektiv – ruhig, sachlich, unbeirrbar – und entfaltet genau dadurch enorme Wirkung.

Als Lumet diesen Film drehte, war er gerade einmal Anfang 30 – und schuf gleich mit seinem Debüt einen Meilenstein. Die zwölf Geschworenen war nie ein Kassenschlager, doch seine Wirkung war langfristig und tiefgreifend. Bis heute dient der Film als Paradebeispiel für wirkungsvolles Erzählkino mit minimalem Aufwand. Kein Effektgewitter, keine Stars im heutigen Sinne – nur ein Raum, zwölf Männer und ein Thema, das aktueller kaum sein könnte. Der Film hat zahllose spätere Werke beeinflusst und wird nicht umsonst bis heute in Schulen, Universitäten und Filmseminaren gezeigt – nicht nur als Film, sondern als Denk- und Diskussionsanstoß.

1997 hat der großartige Wilhelm Friedkin ein Remake zu "Die 12 Geschworenen" auf die Leinwand gebracht. Es wurde der Zeit angepasst, was einige Aussagen und Denkweisen angeht, aber sonst handelt es sich nahzu um ein 1:1 Remake (natürlich zeitgemäß mit (zu) längerer Laufzeit). Trotzdem möchte ich an dieser Stelle dafür werben: Schaut euch das Original einmal an. Ihr werdet feststellen, dass euch auch ein uralter Schwarz Weiß Schinken packen und fesseln wird. Auch das ist eine lohnenswerte Erkenntnis!

In einer Zeit, in der Filme oft mit Schauwerten und Geschwindigkeit um Aufmerksamkeit buhlen, wirkt Die zwölf Geschworenen wie ein Gegenentwurf – entschleunigt, konzentriert, messerscharf. Und genau das macht ihn so stark. Wer sich darauf einlässt, erlebt ein intensives Stück Kino, das zeigt, wie viel Spannung aus einem einzigen Raum entstehen kann. Ein Film, der aufrüttelt, ohne laut zu sein. Und ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass auch ein über 60 Jahre alter Schwarz-Weiß-Film mehr Relevanz haben kann als so mancher moderne Blockbuster.

Herzlichst Sebastian