Flow

Geschrieben am 25.03.2025
von Sebastian

"Auf das Filmzitat müssen wir heute leider verzichten"


Es gibt Menschen, die lassen Personen wie mich immer ungläubig und staunend zurück. Es gibt Menschen, die schreiben mal eben in Eigenregie ein Buch – inklusive Vermarktung und Veröffentlichung. Es gibt Leute, die organisieren eigenverantwortlich Demos gegen das rechte Pack oder für den dringend benötigten Klimaschutz.

Also, ich persönlich denke mir dann oft: "Was machst du eigentlich in deinem Leben? Also, was bleibt wirklich, und was gibst du der Welt?"

Der lettische Animationskünstler Gints Zilbalodis hat als Einzelperson mal eben den besten Animationsfilm der letzten Jahre weltweit in die Kinos gebracht. Flow ist ein wunderschöner Film. Wenn ich nicht wüsste, dass daran genau eine Person gearbeitet hat, würde ich es schlicht und einfach nicht glauben können.

In diesem Film steckt mehr Liebe und Tiefe sowie mehr Emotionen als in den letzten großen Filmen von Pixar, Illumination und DreamWorks zusammen. Die reine technische Umsetzung ist großartig – das machen die oben genannten Studios nicht besser. Flow hat einen eigenen, tollen Stil und zwar bei Animation und Geschichte. 

Bei den diesjährigen Oscars (ein extrem überflüssige Veranstaltung) hat Flow -als erster unabhängiger Film ohne großes Studio- den Oscar als bester Animationsfilm gewonnen. Gekostet hat dies hier laut Internetrecherche ca. 8 Mio Dollar, "Alles steht Kopf 2" von Pixar lag bei ca. 175 Mio.! Es ist wirklich unglaublich.

 

Die Fakten: Erscheinungsdatum: 2025, Genre: Animation, Laufzeit: 85 min, FSK: ab 6

Die Story: Nach einer verheerenden Flutkatastrophe flüchtet eine kleine graue Katze auf ein Segelboot. Im Laufe der Zeit schließen sich auch andere Tiere an, um auf dem kleinen Boot Zuflucht zu finden. Gemeinsam navigieren sie durch eine überflutete Welt.

 

Wir sehen hier etwas Einzigartiges: Dialoge in Filmen sind mit der größte Anker für den Zuschauer, um sich mit einem Charakter zu identifizieren. Wir erfahren durch Sprache, was Sache ist – oft wird uns auch direkt erzählt, was wir gerade bitte zu fühlen haben. Das ist natürlich plump, aber dennoch effektiv.

Im Animationsfilm geht man noch einen Schritt weiter. Hier erleben wir Abenteuer gerne auch mit Figuren fernab der Realität – Monster, Tiere, Fabelwesen, Spielzeug etc.. Das kann alles funktionieren, denn im Animationsfilm kann der Oger, die Maus oder die Spielzeugpuppe selbstverständlich sprechen. Ergo wird eine emotionale Bindung auch zu Dingen erzeugt, die es nicht einmal gibt. Respekt!

In Flow geht es um eine Katze und weitere Tiere, die sich im Laufe der Geschichte dazugesellen. In Flow wird kein Wort gesprochen. Die Tiere klingen wie Tiere! Die emotionale Wucht ist trotzdem unglaublich hoch. Wie Flow das hinbekommt, ist so schön zu sehen und wirklich beeindruckend. Es ist eine absolute Meisterleistung!

Hier wird eine Geschichte über verschiedene Tiere erzählt – Tiere, die eigentlich Einzelgänger sind –, die sich in einer veränderten Welt zurechtfinden müssen und Herausforderungen nur gemeinsam als Gruppe bewältigen können. Wie dieser Zusammenhalt von unterschiedlichen Tieren entsteht und was er bedeutet, ist subtil und einfühlsam dargestellt.

Selbstverständlich kann man (muss man vielleicht auch) Flow als Parabel auf unsere aktuelle Welt sehen. Wir steuern auf eine Klimakrise zu (bzw. sind mittendrin), die durchaus dafür sorgen könnte, dass in nicht allzu ferner Zukunft verschiedene Tiere auf Baumstämmen durch Häuserschluchten treiben. Wir befinden uns in einer Welt, in der es der Menschheit aktuell immer weniger gelingt, Differenzen, religiöse oder kulturelle Unterschiede oder ähnliches zu überbrücken. Klassenkampf, Arm und Reich usw.. Die Katze, der Labrador, die Muräne und der Sekretär machen uns Menschen vor, was passieren kann, wenn man Vorurteile und Schubladendenken überwindet. Keine Panik – das klingt jetzt pathetischer, als es im Film ist. Die Story von Flow drückt uns diese Interpretation nie aktiv ins Gesicht.

Noch ein Wort zur Technik: Es muss gesagt werden, dass ich eigentlich gar kein großer Fan von Animationsfilmen bin. Gints Zilbalodis kreiert hier allerdings etwas ganz Fantastisches. Die Bilder bestechen durch eine malerische Qualität, die in ihren besten Momenten an Filme von Studio Ghibli erinnert (Prinzessin Mononoke oder Mein Nachbar Totoro). Ergänzt wird dies durch die besten Wassereffekte, die ihr aktuell sehen könnt. Ein visueller Traum. 

Wie bereits gesagt und herausgestellt: alles von einer Person erdacht und umgesetzt.

Flow ist ein wunderschöner, intelligenter Film. Eine herzerweichende Geschichte, die wirklich sehr anrührend ist – zudem toll animiert und das alles, ohne auch nur ein gesprochenes Wort. All das macht diesen kleinen lettischen Film zum besten Animationsfilm der letzten Jahre.

Herr Zilbalodis, Sie haben der Welt etwas von Wert hinterlassen. Danke.

Herzlichst, Sebastian

P.S: Flow läuft aktuell noch im Kino, bitte unbedingt ansehen egal ob jung oder alt und am besten gemeinsam!!!